Der organisierte Sport im Schatten von Corona – Herausforderungen und Zukunftsperspektiven 

Kinder und Jugendliche in der Zeit der Corona-Krise: Sport im Setting Schule – Lösung oder Utopie?

Unbestritten, dass für Kinder und Jugendliche Bewegung wichtig ist und Schulsport für einige die einzige regelmäßige Bewegung darstellt, ist er jetzt besonders gefordert. Keine einheitliche Regelung mit den jeweiligen Corona-Verordnungen. Von - ersatzlos gestrichen, Theorie statt Praxis, Pausenhof statt Turnhalle oder einfach anderer Unterricht – ist alles zu finden. Im Rahmen des Workshops soll zunächst die Situation erläutert und unterschiedliche Positionen dazu diskutiert werden, um schließlich Lösungen vorzustellen und weiterzuentwickeln: Kreative Bewegungsideen, Schulhof als Sportraum nutzen, Kooperationen mit Vereinen stärken!

Kinder in Bewegung bringen – aber wie?

Wenn Schul- und Vereinssport nicht im gewohnten Setting stattfinden kann, stellt sich die Frage: Welche Wege gibt es, um Kinder in Pandemiezeiten zu bewegen? Kinder haben ein Recht auf eine bewegte Kindheit – und diese Kindheit ist jetzt. Sie lässt sich nicht verschieben, sie kann nicht warten, bis wir einen Impfstoff haben oder die Pandemie vorbei ist. Es ist Aufgabe des organisierten Sports, der Schulen und der Politik, dafür zu sorgen, dass Kinder gut und bewegt durch diese Zeit kommen.

An dieser Stelle ist Kreativität gefragt für konkrete Bewegungsangebote. Denn die Dringlichkeit ist alarmierend: Laut aktuellem Kinder- und Jugendsportbericht schaffen es mehr als 80 Prozent der Heranwachsenden nicht, sich 60 Minuten pro Tag zu bewegen – wie es die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt.

Kreativ durch die Krise

An kreativen Bewegungsideen mangelt es dabei nicht. Das zeigen etwa die vielfältigen Beispiele, die auf dem Ideensammlungs-Padlet im Rahmen des Workshops zusammenkamen:
https://padlet.com/annetteweimann/bef9sfabvgkiewf

Ob Bewegungsideen für die Pause oder für zu Hause: Für alle Phasen der Pandemie lassen sich sehr gute »Best practice«-Beispiele finden. Diese wurden im Workshop einem Ampelsystem zugeordnet: Rot für Sporttreiben allein oder zu zweit, Gelb für Sport ohne Kontakt unter besonders strengen Hygienebedingungen (hauptsächlich outdoor), Grün für Sport ohne Einschränkung mit Hygienemaßnahmen (outdoor/indoor).

Kommt es mit der ersten Lockerung der Corona-Maßnahmen zu Phase Gelb, sehen die Expert*innen durchaus Möglichkeiten, flexibel mit Angeboten zu reagieren und Handlungsempfehlungen zu geben.

Dabei ist für Vereine vor allem Sicherheit und Stabilität im Handeln wichtig. Darauf zielt auch der »Vier-Stufen-Plan für den Kinder- und Jugendsport während der Corona-Pandemie« der Deutschen Sportjugend (dsj)1. Abgestuft auf Phasen der Pandemie-Lage schlägt er einheitliche Regelungen für das ganze Bundesgebiet vor, um Vereinen Sicherheit und Orientierung zu geben. Denn gemeinsames Sporttreiben ist Teil der Lösung der Pandemiebekämpfung.

Sporträume öffnen – Infrastruktur teilen

Im Fokus für Lösungen stehen vor allem die Orte, an denen Sporttreiben möglich ist. Denkbar ist beispielsweise, dass Familien Hallenzeiten bei ihrem Verein buchen für den Individualsport. Dies wäre ein kohortenspezifischer Ansatz, für den die Sportvereine ihre Infrastruktur zur Verfügung stellen.

Die Idee lässt sich auf den Schulsport übertragen, indem man die Schulinfrastruktur öffnet: So könnten die Pausengelände und Schulsporthallen für Bewegungsförderung in der klassenspezifischen Kohorte genutzt werden – mit Hilfe der Übungsleitungen der Vereine. Hier zeigt sich ein Ansatzpunkt für Kooperationen zwischen den Schulen und den Vereinen.

Einsatz der Übungsleitungen zentral

Da es bei vielen Sportarten schwierig ist, Techniken allein zu Hause zu lernen, kommt den Übungsleiter*innen der Vereine außerdem eine zentrale Rolle zu. Daher dürfen sie nicht aus dem Blick verloren werden. Sie müssen motiviert bleiben – denn Sport ist ohne soziale analoge Interaktion zwischen den Kindern und zwischen den Kindern und den Übungsleiter*innen nicht langfristig möglich. Kinder und Jugendliche brauchen diese direkte Begegnung und Interaktion. Deshalb ist es enorm wichtig, sie mit Hilfsangeboten zu unterstützen.

Online-Angebote erreichen nicht alle

Ob »Sport fürs Kinderzimmer« über YouTube oder »Online: Kinderturn-Abzeichen inklusiv«, die Bestandsaufnahme zeigt: Es gibt viele positive Beispiele für Bewegungsangebote während der Pandemie. Auf der anderen Seite besteht die Sorge um die Kinder, die mit den interaktiven Online-Angeboten nicht erreicht werden.

Was passiert mit diesen Kindern, denen die Initiatorin, der Initiator fehlt? Oder die nicht oder kaum auf elektronische Medien zugreifen können? Wie können wir für diese Kinder Bewegungsangebote schaffen? Hier sind die Schulen bzw. der Schulsport die aktuell letzte Möglichkeit, Angebote zu lancieren. Kinder, die sonst keinen Zugang haben, müssen dort abgeholt werden.

Zweckentfremdung von Schulsportstätten vermeiden

Sorge bereitet in diesem Zusammenhang auch, dass erneut Schulturnhallen zweckentfremdet werden – diesmal zur Einrichtung von Impfzentren. Dies schmälert wiederum die Anzahl der dringend benötigten Sporträume.

Workshopleitung
• Dr. habil. Katja Ferger (DTB-Vizepräsidentin Sport, Lehr-
kraft für besondere Aufgaben am Institut für Sport-
wissenschaft Justus-Liebig-Universität Gießen)
• Wiebke Glischinski (Vorsitzende Deutsche Turner-
jugend, Senior Human Resources Partner Deutsche
Bahn)
• Julia Schneider (Vorstand Deutsche Turnerjugend,
Ausschussmitglied Bundesjugendspiele)


 
Expertinnen und Experten
• Alexander Erg (Geschäftsführer TSG Weinheim 1862)
• Michael Fahlenbock (Präsident Deutscher Sportlehrer-
verband)
• Prof. Dr. Annette Hofmann (DTB-Vizepräsidentin Gesell-
schaftspolitik, Hochschulprofessorin Pädagogische
Hochschule Ludwigsburg)
• Kerstin Holze (Vorstandsvorsitzende Deutsche Kinder-
turn-Stiftung, Kinderärztin)
• Olaf Jähner (Geschäftsführer Vereinsentwicklung
Niedersächsischer Turner-Bund, 2. Vorsitzender Turn-
Klubb zu Hannover )